Bild: „Die Ruinen der Statt Palmyra“, in: Johann Bernhard Fischer von Erlach, Entwurff einer Historischen Architectur, Wien 1721. Zweites Buch, Tafel XIII.
Die Ruinen der Stadt Palmyra
von Johann Bernhard Fischer von Erlach (Graz 1656 – Wien 1723)
Eine Gedenkausstellung des GrazMuseums
Die zwischen Euphrat und Mittelmeer, zwischen Orient und Okzident liegende antike Oasenstadt Palmyra, die „Palmenreiche“, soll nach dem wahnhaften Säuberungswillen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ nicht mehr sein. Zuerst nutzten diese Terroristen ausgerechnet das einst so weltoffene Palmyra als „Kulisse“ grauenhafter Massenhinrichtungen, dann folterten und enthaupteten sie den 82-jährigen großen palmyrischen Archäologen Khaled al-Assaad, stellten seinen Leichnam zur Schau und zerstückelten ihn schließlich. Vor wenigen Tagen hat der „IS“ begonnen, die einzigartigen Zeugen der Verschmelzung griechischer, römischer und assyrischer Kultur demonstrativ zu zerstören.
Das GrazMuseum besitzt einen Kupferstich des 1656 in Graz geborenen Johann Bernhard Fischer von Erlach, der die „Die Ruinen der Statt Palmyra“ im Zustand vor 1700 zeigt. Der Architekt der unvergleichlichen Wiener Karlskirche oder der Salzburger Kollegienkirche kommentiert seinen aus fremden Vorlagen entwickelten Stich:
„Das unwiedersprechlichste Zeugnis ihrer (Palmyras) Wiedererbauung und alten Pracht leget die Herrlichkeit ihrer ansehnlichen Ruinen an den Tag; als welche weder die Zeit, noch die unwissende Grausamkeit der Barbaren gänzlich auszutilgen vermocht. Ihr gegen alles Fremde nicht weniger ausgelassenes Wüten ist Ursache, daß man biß anhero so wenig Nachricht erhalten, von dem vornehmsten Überbleibsel der Alterthümer, so an einem Ort der Welt zu sehen.“
Der hier ausgestellte Stich ist Teil der ersten großen Zusammenschau der Weltarchitektur, die Fischer von Erlach 1721 als Entwurff einer Historischen Architectur herausbrachte. In diesem Stich-Werk werden Rekonstruktionen von historischen und legendären Bauwerken der Juden, Ägypter, Syrer, Perser, Griechen, Römer, Araber, Türken, Chinesen und Japaner gezeigt und kommentiert. Die „alte Pracht“ und „Herrlichkeit“ der Oasenstadt Palmyra war schon vor drei Jahrhunderten unbestritten.
Wenn das GrazMuseum aus schrecklichem Anlass in einer spontanen Sammlungsauslegung Fischer von Erlachs „Die Ruinen der Statt Palmyra“ präsentiert, soll damit ein museumsgemäßes Zeichen dagegen gesetzt werden, dass die tiefste Inhumanität des „IS“ zur symbolischen Verstärkung seiner groß inszenierten Terrormorde und auch zur Ablenkung von seinem gigantischen Kunstraub laut UNESCO die „brutalste und systematischste Zerstörung von kulturellem Menschheitserbe seit dem 2. Weltkrieg“ vollbringt – in Mossul, in Ninive oder nun in Palmyra.
Was sich im kulturellen Gedächtnis der Menschheit eingeschrieben hat, ist aber unzerstörbar. Daran soll Fischer von Erlachs Blatt erinnern. Aus schier endlosen Säulenreihen gebildete Hauptstraßen, das Heiligtum für die semitische Gottheit Baal in griechisch-römischer Verkleidung, exakt ausgerichtet nach den Himmelsrichtungen, doppelte Säulenreihen vortäuschende Säulenordnungen sind Ideen. Wir bewundern sie nach der physischen Zerstörung noch viel mehr. Diese Ideen hat auch das „gegen alles Fremde nicht weniger ausgelassene Wüten“, diesen Geist hat auch nicht „die unwissende Grausamkeit der Barbaren gänzlich auszutilgen vermocht“. Palmyra lebt fort.
Kurator: Direktor Otto Hochreiter