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Sex entwerfen

Wem willst du nahekommen?

Intimität verlangt Vertrauen. Näher als in der sexuellen Begegnung können Menschen einander kaum kommen. In der bewussten körperlichen Verbindung gehen wir auf in der anderen Person. Im Sex leben wir die gemeinsame Fantasie und die Fantasie des Gemeinsamen. Die Befreiung des Geschlechts von der Fortpflanzung gibt Sexualität ihren eigenen Sinn.

Längst ist unsere Intimsphäre von Datenfeldern durchdrungen. Technobilder prägen unsere Imagination. Smarte Sex-Toys ermöglichen die Überwindung räumlicher Entfernung. Technik bringt die Erfahrung körperlicher Nähe. Mit ihrer Hilfe trotzen wir sozialer Distanz. Oder so will es scheinen.

Aus dem Rausch unseres Innersten quellen Daten. Wem willst du sie freiwillig preisgeben?

Deep Fake und Maskenball

Wer Porno will, braucht Bandbreite

Medienmanipulation ist das Schlagwort; Herrschaftsinszenierung, Werbung, Propaganda oder Informationskrieg sind klassische Bereiche der „Meinungsmache“. Mit dem Medium der Fotografie war darum im 19. Jahrhundert auch die Hoffnung auf Authentizität und objektive Wahrhaftigkeit verbunden. Denn in Gemälden wurden bis dahin wichtige Ereignisse im Nachhinein verewigt – und dabei oft im Interesse ihrer jeweiligen Auftraggeber*innen verändert. Nicht selten fielen unliebsame Personen im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Bild, und Unbeteiligte wurden nachträglich in Szene gesetzt.

Heute sind gefakte Bilder zum Normalfall einer komplexen, mit Daten gesättigten Medienlandschaft geworden. Was ist wahr? Können wir unseren Augen trauen? Ist es nicht gerade die Sexualität, bei der wir uns in besonderem Maße der Leibhaftigkeit unserer Sinne hingeben, in der wir stärker als anderswo nach liebevoller Authentizität und eben nicht nach illusionärer Täuschung streben?

Wer Porno will, braucht Bandbreite. Plattformen wie YouPorn liefern die früher als „Schmuddelfilme“ verschrienen Streifen quasi frei Haus. In den 1990er-Jahren war der Austausch von hochauflösenden Bildern und Videos über Filesharing-Plattformen noch ein echter Antrieb für den Ausbau schneller Internetanbindungen. Doch auch das ist schon wieder Schnee von gestern. Mittels Künstlicher Intelligenz lassen sich heute die ohnehin schon umstrittenen Lichtspiele personalisieren. Algorithmen errechnen dabei bewegte Gesichter, die realen Menschen täuschend ähnlich sehen. Ein Klick genügt; und schon scheinen Herr oder Frau XY von nebenan im Porno den erhofften Matratzentango zu tanzen – als Masken auf den Körpern der eigentlichen Protagonist*innen.

Deep Fake wird diese Technologie genannt, die zuerst durch manipulierte Reden von Politiker*innen bekannt wurde. Nicht bloß gesprochener Ton, sondern eben auch die Lippenbewegungen, Mimik und Gestik lassen sich zum Verwechseln ähnlich manipulieren – wobei sich der Algorithmus um den nötigen Kleinkram kümmert. Im Bereich der Pornographie könnten wir uns nun auf die perfekte, passgenaue Visualisierung unserer Fantasien – mit Promis, Nachbar*innen oder unbekannten Facebook-Schönheiten aller Couleur – freuen. Doch wenn schon wenige Bilder reichen, um ein Gesicht täuschend echt in einem Porno als Maske tanzen zu lassen, sollten wir dann nicht besser sofort aufhören, Fotos und Videos von uns zu posten? Wer weiß, wer da alles so seine Fantasien mit unseren manipulierten Alter Egos ausleben will? Und was, wenn wir schon als gefakte Porno-Stars, oder Porno-Loser, unseren Ruf weg haben, ohne etwas davon zu ahnen?